Der Freestyle verlangt von Rappern eine einzigartige Kombination aus Wortschatz, Charisma, Auftritt und Ideenreichtum. Die Reime müssen innerhalb weniger Sekunden ausgedacht und vorgetragen werden, meist mit wenig bis keiner Vorbereitung. Dies kann angehende Rapper am Anfang etwas überrumpeln, aber mit Hilfe des folgenden Artikels kannst auch du im Freestyle glänzen.
Vorgehensweise
-
Höre dir viele Freestyle Verse an. Improvisierte Freestyle Raps sind meistens etwas härter und unausgereifter als die „normalen“ Hip Hop Lieder. Aber genau da liegt auch ihr Reiz. Im Freestyle kann man mitreißende Verse finden, die durch ihre Unvorhersehbarkeit wie eine Bombe beim Publikum einschlagen. Um ein Gefühl für guten Freestyle Rap zu bekommen, solltest du dir daher so viel wie möglich davon anhören.
- Besuche Rap Battles oder Freestyle Wettkämpfe in deiner Nähe. Höre dir die Verse der Teilnehmer genau an. Möglicherweise triffst du hier auch auf andere angehenden Rapper und kannst über diese deine ersten Kontakte in die Szene knüpfen.
- Auf YouTube kannst du viele Videos von Rap Battlen aus den unterschiedlichsten Jahren finden. Schaue beispielsweise dem 17-jährigen Notorious B.I.G. beim Rappen an der Straßenecke zu, oder fiebere bei den ersten größeren Rap Battlen von Eminem mit. Wenn dir diese Events zu lange her sind, kannst du dir natürlich auch private Videos von angehenden Rappern, welche beispielsweise zum Beat des neuen Kanye West Songs freestylen, ansehen. So erhältst du Einblicke in die Szene und kannst gleichzeitig auch an deinem eigenen Stil arbeiten.
-
Starte mit einem Beat. Suche online nach einem Beat oder einer instrumentalen Songpassage. Lasse nun den Beat oder die Passage im Loop laufen. Versuche nun ein Gefühl für den Rhythmus zu bekommen. Jetzt kannst du bereits notierte Verse zum Rhythmus des Beats rappen. Wenn du noch keine Reime notiert hast, kannst du natürlich auch deine ersten Verse zu diesem Beat schreiben. Versuche beim Rappen im Rhythmus der Musik zu bleiben. Falls dir noch nicht gelingt, solltest du dir darüber keinen Kopf machen. Aller Anfang ist schwer.
- Starte mit dem sogenannten “Downbeat” (erster Schlag eines Taktes). Ein Großteil der Rap Musik ist im Viervierteltakt geschrieben. Dies bedeutet, dass jeder Takt einen starken Downbeat auf der Eins besitzt (EINS-zwei-drei-vier-EINS-zwei-drei-vier).
- In vielen Songs gibt es instrumentale Intros und Outros oder sogar ganze Passagen, in denen nur der Beat abgespielt wird. Wenn du keinen Zugriff auf instrumentale Beats hast, kannst du deine ersten Reime zum Üben über diese Songpassagen rappen.
-
Improvisiere. Sobald du ein Gefühl für den Beat entwickelt hast und dir deine aufgeschriebenen Reime ausgegangen sind, solltest du freestylen. Fange einfach damit an. Nimm zum Beispiel eine Zeile, welche du bereits notiert hast, und freestyle, um den Reim zu vollenden.
- Mache dir keine Sorgen, wenn deine Reime am Anfang keinen Sinn machen. Das kommt alles mit der Zeit. Am Anfang geht es wirklich erst einmal darum, dass du improvisieren und ständig neue Reime produzieren kannst. Jetzt hört sowieso noch keiner zu, daher kannst du es ruhig etwas lockerer angehen.
-
Denke nicht zu viel nach. Wenn du dich zu viel auf deinen nächsten Reim konzentrierst, wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit beim aktuellen Reim Fehler machen. Mit ausreichend Übung kannst du lernen, wie man sich auf den aktuellen Reim konzentriert und sich gleichzeitig den Nächsten ausdenkt. Die besten Freestyler sind immer sehr ruhig und konzentriert. Außerdem nutzen sie meistens Beats, mit denen sie schon Erfahrungen gesammelt haben und gut arbeiten können. Wenn du also am Anfang Probleme hast, solltest du dich nicht zum freestylen zwingen. Schreibe dir ein paar Verse zu dem Beat auf, oder, wenn auch das Probleme bereitet, tausche den aktuellen Beat gegen einen anderen Beat aus.
- Schließe dich in deinem Schlafzimmer, im Keller oder in der Garage ein. Niemand muss deine ersten Rap Versuche mitbekommen, wenn du das nicht möchtest. Außerdem kannst du dein Publikum mit deinen Reimen mehr begeistern, wenn diese deine Verse davor noch nicht gehört haben.
-
Bleibe immer im Rhythmus. Du darfst nicht stoppen, besonders dann nicht, wenn du einen Fehler gemacht hast. Du kannst dafür gerne Selbstironie nutzen. Versuche deinen Fehler mit Humor in einem deiner nächsten Reime einzuarbeiten: “Mein letzter Reim hat mir nicht gefallen, egal, dafür lass ichs jetzt richtig knallen“. Der zeitliche Ablauf ist beim Freestyle sehr wichtig, lasse dich daher nicht von Fehlern aus dem Rhythmus bringen.
- Erfahrene Freestyle Rapper haben oftmals Reime in der Reserve, die im Notfall (also dann, wenn ihnen nichts mehr einfällt) genutzt werden können. Mit diesen Versen kann beim Auftritt kostbare Zeit erkauft werden. Die richtig guten Freestyle Rapper nutzen solche Reime jedoch nur sehr selten. Ihnen reichen meistens Ausrufe („Yo!”) oder kurze Satzeinleitungen (“Matter of fact…”). Wenn du dich auf solche Zeitpuffer spezialisierst, kann es später vorkommen, dass du sie nutzt ohne es zu merken.
Werbeanzeige
-
Baue nicht auf einem Einstiegsreim auf, sondern arbeite dich zu einer Punchline vor. Um deine Geschwindigkeit im Freestyle zu steigern, solltest du dein bisher genutztes Konzept umdrehen. Anstatt mit einem guten Einstieg zu beginne und danach zu improvisieren, solltest du dir eine gute Punchline ausdenken und auf diese hinarbeiten.
- Hier hilft dir nun deine Sammlung an reimenden Wörtern und Halbsätzen. Wenn du eine besonders gute Punchline hast, kannst du versuchen, diese mit anderen Reimen zu verbinden. Sei hier ruhig etwas experimentierfreudig. Je mehr Verse du mit deiner Punchline bildest, desto mehr Reimmöglichkeiten werden dir bei deinem nächsten Freestyle Auftritt einfallen.
-
Spiele mit den Worten. Am Anfang solltest du mit einfachen Worten reimen. Hierzu eigenen sich harte Wortendungen (Rein, Schwein, Sein, etc. oder Später, Räder, Väter,etc.) besonders gut. Später werden solche Reime jedoch schnell langweilig und schwerfällig, daher solltest du so bald wie möglich komplexere Reime nutzen.Es gibt auch die Möglichkeit vom "Spitten" hierbei wird mit der Zweideutigkeit eines Wortes gearbeitet.
- Unreine Reime klingen gleich ohne „echte“ Reimwörter zu verwenden. Unter anderem werden die Endungen mit „n“ und „m“ oft gleichbehandelt (Reim/Fein, Klemmen/Nennen). Man kann auch „s“ mit „ß“, „ss“ oder „st“ reimen (Preise/Scheiße, weißt/meist) und schlussendlich auch “d” und “t” vertauschen (Freude/Meute). Im Englischen wird auch oft ein ganzer Vokal weggelassen (Vowel/Bowl).
- Assonanz und Alliteration beschreiben Stile, in welchen Vokale oder Konsonanten mehrmals in einer Zeile wiederholt werden. Edgar Allan Poes berühmtes Gedicht “The Raven” (dt. der Rabe) ist in beiden Stilen geschrieben: "the silken sad uncertain rustling of each purple curtain" (wiederholte "s" und "ur" Klänge).
-
Entwickle Gleichnisse. Cassidys Reim über "Goin' platinum like Sisqo hair" oder Raekwons Vers "I get deep like a baby seal" sind Gleichnisse. Sie bestehen meist aus einem überraschenden und kreativen Vergleich zwischen zwei Dingen. Diese Technik wird nicht nur im Rap, sondern auch in der Poesie genutzt.
- Notiere dir in deinem Notizbuch mehrere Gleichnisse zum selben Thema. Schreibe hierzu einfach den Reimanfang mehrfach untereinander und lasse die zweite Hälfte frei (bspw.: Meine Reime sind so heiß wie _____). Nun kannst mit verschiedenen Endungen experimentieren (bspw.: Meine Reime sind so heiß wie Kaffee; Meine Reime sind so heiß wie die Sonne). Du wirst überrascht sein, mit wie vielen Wörtern du tatsächlich arbeiten kannst.
-
Sei du selbst. Du solltest nicht mit Sachen angeben, die du nicht getan hast bzw. die so unrealistisch sind, dass du dich mit deiner Prahlerei nur lächerlich machst. Reime über Dinge die du gut kennst und bleibe dabei immer ehrlich. Du wirst beim Publikum und bei den anderen Rappern wesentlich mehr Eindruck hinterlassen, wenn du deine Fähigkeiten und ehrliche, interessante Reime in den Vordergrund stellst.
- Zum Üben ist es sehr hilfreich die Beats und Verse von anderen Rappern zu nutzen. Später ist das jedoch strengstens verboten. Versuche daher so schnell wie möglich nur noch mit deinem eigenen Material zu arbeiten.
-
Freestyle vor ein paar Freunden. Wenn du dich sicher genug fühlst, kannst du ein paar gute Freunde einladen und vor ihnen freestylen. Lasse dir danach von ihnen Tipps geben, damit du dich noch weiter verbessern kannst. Wenn du das ein paar Mal machst, hast du bei deinem ersten großen Auftritt vor Publikum weniger Lampenfieber.
- Beziehe dein Publikum in deine Raps mit ein. Lasse sie beispielsweise einen Beat oder ein bestimmtes Thema für deine Reime wählen. So lernst du auch mit unvorhergesehenen Situationen umzugehen und beim Auftritt zu improvisieren. Lasse deine Freunde noch während deines Verses das Thema für den nächsten Vers festlegen. Wenn du richtig gefordert werden möchtest, kannst du sie spezielle Gegenstände und Ereignisse bzw. ein Wort, welches du in deinem nächsten Reim benutzen musst, festlegen lassen. Das macht nicht nur Spaß, sondern verbessert auch deine Konzentrationsfähigkeit.
- Wenn du unter deinen Freunden noch weitere angehende Rapper hast, kannst du mit diesen Reime austauschen. Ihr könnt auch zusammen freestylen. Wählt hierzu einfach denjenigen aus, der anfangen soll. Sobald dieser aus dem Takt kommt, oder absichtlich abbricht, muss der nächste von euch weitermachen. Versucht euch hierbei auch an dem Stil und dem Text eures Vorgängers zu orientieren. Wenn ihr ohne vorherige Absprache eine zusammenhängende Geschichte im gleichen Rhythmus erzählen könnt, dann habt ihr das Zeug dazu als Crew aufzutreten.
Werbeanzeige
-
Schreibe viel. Je mehr Reime du aufs Papier bringst, desto mehr Reime werden dir beim Freestyle einfallen. Außerdem kannst du auf dem Papier mit deinen Reimen experimentieren und deine Schlagwörter mit mehreren anderen Wörtern reimen. So kannst du dir herausragende Punchlines zusammenstellen. Außerdem kannst du dir Sammlungen an Reimworten anlegen. Diese werden dir beim Freestyle helfen deine Reime immer an die jeweilige Situation anzupassen. Desto mehr Wörter du in deinem Gedächtnis hast, desto schneller kannst du dir die Reime beim Auftritt zusammenstellen.
- Mache verschiedene Übungen. Nimm zum Beispiel fünf zufällig ausgewählte Wörter und versuche diese in ein oder zwei Reimen sinnvoll unterzubringen.
- Es ist egal, ob du gleich am Anfang Reime zum Rappen schreibst oder nicht. Schreibe einfach weiter. Jede Form des Schreibens hilft dir dabei, dich auf deine Wortwahl zu konzentrieren und dir über die Zusammensetzung deiner Reime/Sätze Gedanken zu machen. Im Freestyle musst du sehr schnell improvisieren, daher sind Schreibübungen im Vorfeld auf jeden Fall sehr hilfreich.
-
Lese viel. Wenn du freestylen willst, musst du einen umfangreichen Wortschatz haben. Wörter sind für Rapper das Arbeitsgerät, genauso wie die Farbe für einen Maler oder der Ton für einen Töpfer. Du brauchst daher einen großen Wortschatz, damit du interessante und abwechslungsreiche Reime aus ihnen bauen kannst. Durch das Lesen von Büchern, Comics, Blogs, Online Artikeln, Zeitungen, Magazine, etc. kannst du dir nützliche neue Wörter aneignen.
- Lies dir die Biografien von bekannten Rappern durch. Dies hilft dir nicht nur dabei die Kultur des Hip Hop zu verstehen, sondern vergrößert auch automatisch deinen Wortschatz.
-
Besorge dir ein reimendes Wörterbuch. Dieses wirst du schon sehr bald nicht mehr missen wollen. Betrachte das Wörterbuch nicht als Stütze, sondern eher als eine Quelle deiner Kreativität. Die Nutzung eines Wörterbuchs beim Reimeschreiben ist auf keinen Fall Betrug. Ganz im Gegenteil: Viele Rapper nutzen ein solches Buch, um Wörter nachzuschlagen, welche ihnen ohne reimendes Wörterbuch niemals eingefallen wären.
- Ein gutes Wörterbuch und eine Wörtersammlung können dir weiterhelfen. Je größer dein Wortschatz, desto interessantere Reime kannst du schreiben.
-
Vergrößere deinen Wortschatz noch weiter. Lese viel oder nutze Prüfungsvorbereitungen in Deutsch an deiner Schule, um immer mehr neue Wörter zu lernen. Besorge dir die Lyrics von Rap Songs und schaue die Bedeutung von Wörtern, welche du nicht verstehst, nach. Im Hip Hop werden oft regionale Dialekte und Bezeichnungen bzw. Slang und Umgangssprache genutzt. Es ist also keine Schande, wenn du hier das ein oder andere Wort online nachschauen musst. Chief Keefs "Love Sosa" macht beispielsweise nur wenig Sinn, wenn du dabei an den berühmten Baseball Spieler Sosa denkst.
- Nutze hierfür Vokabelzettel oder hänge dir Post-Its in deiner Wohnung auf. So kannst du die neuen Wörter auch beim Frühstücken oder auf dem Hometrainer lernen.
Werbeanzeige
Tipps
- Fange mit einfachen Reimen an. Am Anfang ist es wichtig, dass du den richtigen Rhythmus findest. Mittelmäßige Reime mit dem richtigen Rhythmus hören sich nämlich wesentlich besser an, als gute Reime, die jedoch nicht zum Beat passen. Am besten startest du daher mit einfachen Wörtern (bspw. Wörter mit der Endung „-en“ oder „-er“).
- Nutze jede freie Minute zum Üben und zum Schreiben. Du kannst die Zeit im Bus oder im Wartezimmer des Arztes sehr gut zum Schreiben neuer Reime nutzen. Wenn du dich mit einem Notizbuch auf dem Schoß in der Öffentlichkeit unwohl fühlst, kannst du natürlich auch dein Smartphone für die Notizen benutzen. Das sieht dann aus, als ob du mit einem Freund chatten würdest.
- Übe jeden Tag. Gib nicht auf. Wenn du regelmäßig übst, wird aus dir ein ausgezeichneter Rapper werden.
- Selbstvertrauen ist sehr wichtig. Sei du selbst und rappe am Anfang über die dir wichtigen Dinge und Ereignisse.
- Gehe durch deine Wohnung und betrachte die Dinge aus einer neuen Perspektive. Möglicherweise findest du so neue Ideen für deine Reime.
- Wenn dir nichts einfällt, kannst du ja einfach aus alltäglichen Dingen Reime bauen. Starte doch einfach mit dem was du hier gerade liest: „Wikihow, wow, wer möchte darauf verzichten, ich werde mich definitiv nach den Ratschlägen richten. Bisher bekam ich für meine Verse nur Spott, aber mit genug Übung werde ich der nächste Rap-Gott“. Viel Erfolg dabei!
Warnungen
- In den Battlen geht es in erster Linie um den Spaß. Die Beleidigungen und Prahlereien der Teilnehmer auf der Bühne gehören zum Geschäft. Trotzdem solltest du Konfrontationen vermeiden und in deinem Reimen nicht allzu persönlich werden.
Über dieses wikiHow
Du kannst am besten im Freestyle rappen, indem du einen Beat wählst und ihn in einer Endlosschleife spielst. Rappe dann zu Beginn eine Line, die du geschrieben hast. Suche dann einen Reim, der die zweite Hälfte ergibt. Höre auf zu denken und folge dem Flow der Reime entlang des Beats.