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Vielleicht hast du den Begriff „Glaskind“, „Glass-Child-Syndrom“ oder „Unsichtbare-Geschwister-Syndrom“ gerade das erste Mal auf TikTok gehört, das Phänomen ist aber nicht neu. Obwohl „Glaskind“ kein offiziell anerkannter psychologischer oder medizinischer Begriff ist, kann ein Verständnis für das Phänomen für manche Familien hilfreich sein, um ihre Kinder und deren Bedürfnisse besser zu verstehen. In diesem Artikel erfährst du, was es bedeutet, ein Glaskind zu sein und welche Auswirkungen es auf Kinder hat. Überdies erklären wir dir, wie du ein Glaskind als Elternteil unterstützen kannst (oder wie du deine Interessen als Glaskind vertreten kannst).

Was du wissen solltest

  • Ein Glaskind hat ein Geschwisterkind mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung. Die Eltern müssen diesem Geschwisterkind besonders viel Aufmerksamkeit schenken, sodass das Glaskind vernachlässigt wird.
  • Glaskinder sind oft übermäßig unabhängig, haben das Gefühl, perfekt sein zu müssen, haben Probleme, Grenzen zu setzen, und möchten anderen gefallen.
  • Als Elternteil solltest du besondere Zeit nur mit deinem Glaskind verbringen, damit es sich geliebt, wertgeschätzt und umsorgt fühlt.
Methode 1
Methode 1 von 5:

Was ist ein Glaskind?

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  1. Häufig werden die emotionalen Bedürfnisse des Glaskindes nicht durchgehend erfüllt, da ihr krankes oder behindertes Geschwisterkind den größten Teil der Aufmerksamkeit der Eltern benötigt. Das Geschwisterkind kann an einer geistigen oder körperlichen Behinderung, einer geistigen Störung, einer Suchterkrankung, Verhaltensstörungen oder anderen chronischen Erkrankungen leiden, was den Eltern all ihre Zeit und Energie raubt. Der Begriff „Glas“ beschreibt, wie die Eltern durch ihr „Glaskind“ einfach hindurchsehen und nur Augen für die Bedürfnisse des behinderten Kindes haben – daher auch die Bezeichnung „Unsichtbare-Geschwister-Syndrom“. [1]
    • Die Begriffe „Glaskind“, „Glass-Child-Syndrom“ und „Unsichtbare-Geschwister-Syndrom“ sind weder als Bezeichnung noch als psychische Erkrankung offiziell anerkannt. [2]
    • Der Begriff „Glass Child” wurde das erste Mal 2010 bei einem TED Talk der Entrepreneurin Alicia Maples genannt. [3]
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Methode 2
Methode 2 von 5:

Merkmale eines Glaskindes

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  1. Sie erkennen den Stress, unter dem ihre Eltern und Familienmitglieder aufgrund der Erkrankung ihres Geschwisterkindes stehen. Da sich seine Eltern nicht noch mehr Sorgen machen sollen, behält das Glaskind seine eigenen Probleme und Bedürfnisse oft für sich, um den Eindruck zu erwecken, dass ihm gut geht und es die Hilfe der Eltern nicht braucht. [4]
    • Glaskinder könnten unter der Angst leiden, schlechte Schulnoten zu bekommen, ungehorsam zu sein oder den Eltern auf andere Weise zur Last zu fallen.
  2. Sie könnten sich dazu verpflichtet fühlen, mehr im Haushalt zu machen oder haben größere Erwartungen an sich selbst, da sie das gesunde Kind sind. Das gesunde Kind könnte sogar anfangen, die Pflege seines Geschwisterkindes zu übernehmen. Daraus resultierend könnte das Glaskind normale Kindheitserlebnisse und -erfahrungen verpassen. [5]
    • Beispielsweise könnte ein Glaskind bei außerschulischen Aktivitäten fehlen, wenn es das Gefühl hat, sich zu Hause um sein Geschwisterkind kümmern zu müssen oder den Eltern nicht noch mehr aufbürden möchte.
  3. Glaskinder können oft nicht Nein sagen. Sie wachsen in dem Glauben auf, dass es für Unruhe sorgt oder andere belastet, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse aussprechen. Um des Friedens Willen geben sie daher auch oft den Wünschen ihrer Altersgenossen nach. Generell neigen sie dazu, das Wohl anderer (vor allem von den Menschen, die sie lieben) vor ihr eigenes zu stellen. [6]
  4. Da ihre Eltern dem kranken Geschwisterkind die meiste Zeit und Kraft schenken, lernen sie schon früh für sich selbst zu sorgen. Dies könnte gewöhnliche Aufgaben beinhalten wie die Zubereitung des eigenen Essens oder die Hausaufgaben alleine zu erledigen. Es können aber auch komplexere emotionale Vorgänge sein wie der Umgang mit zwischenmenschlichen Problemen ohne die Unterstützung oder Führung ihrer Eltern. [7]
  5. Glaskindern ist bewusst, dass sie mehr leisten und erreichen können als ihr behindertes Geschwisterkind. Daher fällt es ihnen schwer, sich über ihre Erfolge zu freuen. Hierzu könnten große Meilensteine gehören wie ein Studienabschluss oder eine Heirat. Doch auch einfachere Dinge, die es ihnen ermöglichen, ein unabhängiges Leben zu führen, wie ein gut bezahlter Beruf. [8]
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Methode 3
Methode 3 von 5:

Auswirkungen vom Glass-Child-Syndrom

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  1. Die Umstände, unter denen ein Glaskind aufwächst, führen oft zu Gefühlen von Isolation, Einsamkeit oder Hoffnungslosigkeit. Wenn nicht frühzeitig eingegriffen wird, damit sich das Kind bestätigt fühlt und diese Gefühle verinnerlicht, könnte es mit größerer Wahrscheinlichkeit an einer Angststörung, Depressionen oder gar einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Teenageralter oder als Erwachsener leiden. [9]
    • Mehr Studien sind erforderlich, um die Langzeitfolgen eines Glaskindes eindeutig zu definieren. [10]
Methode 4
Methode 4 von 5:

Eltern eines Glaskindes sein

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  1. Lass dich nicht von den Fähigkeiten deines gesunden Kindes blenden und glauben lassen, dass alles in Ordnung ist – seine Reife und Unabhängigkeit sind oft nur ein Bewältigungsmechnismus. Es kann schwierig sein, zu erkennen, dass dein Kind mehr Unterstützung braucht, wenn du in dem Glauben warst, dass bei ihm alles okay ist. Dies gilt besonders, wenn du bereits von der Pflege deines behinderten oder kranken Kindes überfordert bist. Denke daran, dass das Erkennen des Problems der erste Schritt zu seiner Lösung ist. [11]
  2. Bemühe dich, deinem Kind das Gefühl zu geben, gesehen, gehört und geliebt zu werden. Verbringe jeden Tag wenigstens 30 Minuten mit ihm alleine, damit es sich wertgeschätzt fühlt, und plane einmal die Woche eine längere Aktivität oder Veranstaltung ein, z.B. der Besuch eines Sportturniers oder Spielen im Freien. Wenn du einen Erziehungspartner hast, solltet ihr euch abwechselnd um das pflegebedürftige Kind kümmern, damit ihr beide Zeit mit euren anderen Kindern verbringen könnt. [12]
    • Während eurer gemeinsamen Zeit solltest du deinem Kind versichern, dass es geliebt wird und nicht immer perfekt sein muss, um deine Zuneigung zu erhalten.
  3. Bitte Verwandte oder Freunde zu Aktivitäten und Ausflügen mitzukommen, wenn es dir wegen deines behinderten Kindes schwerfällt, für dein Glaskind da zu sein. Sprich auch mit seinen Lehrern – wenn du ihm beispielsweise bei den Hausaufgaben nicht helfen kannst, erkundige dich, ob sein Lehrer ihm Hausaufgabenhilfe oder eine andere Unterstützung anbieten kann. [13]
    • Ziehe auch Familientherapie in Erwägung oder gehe selbst zu einem Therapeuten, um Methoden zu erfahren, die dir dabei helfen können, all deinen Kindern dein Bestes als Eltern zu geben .
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Methode 5
Methode 5 von 5:

Deine Interessen als Glaskind vertreten

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  1. Als Teenager oder Erwachsener wird eine ehrliche Diskussion mit deinen Eltern zu einer gesünderen Kommunikation darüber führen, was du kannst und was nicht. Setze klare Grenzen, indem du zum Ausdruck bringst, welche Verhaltensweisen du tolerieren kannst und welche Aufgaben du bereit bist zu übernehmen, und erkläre dann, dass du auf Anfragen oder Gesprächsthemen, die diese Grenzen verletzen, nicht eingehen wirst. [14]
    • Beispielsweise könnten sich deine Eltern darüber auslassen, wie schwer es ist, für dein Geschwisterkind zu sorgen. Dies würde dich zum Unterstützungssystem deiner Eltern machen. Erkläre ihnen, auf welche Weise dich dies als Kind überfordert, und bitte sie jemand anderen zu finden, um über solche Themen zu sprechen.
    • Wenn deine Eltern ihren emotionalen Stress weiterhin bei dir abladen, solltest du deine Grenzen umsetzen. Du könntest das Gespräch einfach verlassen oder dich mit etwas anderem befassen, um deine Eltern auszublenden.
  2. Konzentriere dich darauf, einen starken, unterstützenden Freundeskreis in der Schule, bei der Arbeit und in deinem Privatleben aufzubauen. In bedeutsamen sozialen Beziehungen kannst du deine wahren Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen. Dies baut Stress ab und reduziert auch das Risiko, Depressionen oder Angststörungen zu entwickeln. Wende dich auch an deinen erweiterten Familienkreis, wenn du ihnen nahestehst. Wahrscheinlich wissen sie über die Situation in deinem engsten Familienkreis Bescheid und können deine negativen Erfahrungen bestätigen. [15]
    • Suche nach Selbsthilfegruppen und Infomaterial für Kinder mit behinderten oder chronisch kranken Geschwisterkindern wie etwa der „Lebenshilfe für Geschwister“ . Das Wissen mit deinen Problemen nicht allein zu sein, reduziert das Gefühl der Isolation und baut eine Community mit Menschen mit ähnlichen Erfahrungen.
  3. Glaskindern ist oft erst im Erwachsenenalter (manchmal auch im Teenageralter) bewusst, welche Auswirkungen ihre Kindheitserfahrungen haben. Sprich mit einem zugelassenen Therapeuten über deine Erlebnisse und Gefühle, um einen besseren Einblick darüber zu gewinnen, wie dich die Familiendynamik während deiner Kindheit beeinflusst hat. Überdies kann dir ein Therapeut dabei helfen, deine Interessen zu vertreten und besser mit deiner Familie zu kommunizieren. [16]
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